Oliver Füglister ist Religionslehrer an der Primarschule Wasgenring im Basler Iselin-Quartier. Er kam über Umwege zum Lehrerberuf, der ihm alles bedeutet. Das Porträt, mit Zusatzinfos zum ökumenischen Religionsunterricht auf Primarstufe im Kanton Basel-Stadt sowie zum Religionspädagogischen Zentrum RPZ.
Wer den Unterricht der Klasse 4A im Wasgenring-Schulhaus mit Religionslehrer Oliver Füglister besucht, staunt Klötze: So lebendig kann der Reli-Unterricht an der Schule sein!
Oliver verwickelt die 15 Kids der Klasse von Jemima Eberhardt in eine abwechslungsreiche Tour d’Horizon zur Schöpfung, Gott und der Welt. Sie reicht von der schlichten «Übung der Stille» über die Tier-Fabel zum Thema Teamarbeit und den «Gefühls-Parcours» bis zum gemeinsamen Abschiedsritual mit Lotus-Gruss. Wird es allzu unruhig im Unterricht, hebt Oliver das «Schweigefuchs»-Handzeichen – und die volle Konzentration ist wieder da.
Religionspädagoge aus Berufung
Oliver ist ein Meister des abwechslungsreichen, dynamischen Unterrichtens. Er geht auf die Kinder ein, involviert sie und fordert sie heraus, schult sie in Achtsamkeit und schafft zwischendurch Inseln für die Einzelarbeit. Seine Begeisterung für den Lehrerberuf schwappt über auf die Mädchen und Buben, die von überall her in der Welt kommen und in Basel daheim sind.
Wer ist Oliver Füglister, 50 Jahre alt, Vater zweier Kinder, Lyriker und Buchautor im unbezahlten Nebenberuf? Weshalb hat er sich entschieden, den Reli-Lehrer zu machen, und was braucht es dazu?
Mittelalterkunde und Marketing
Olivers beruflicher Weg ist typisch für Menschen mit geisteswissenschaftlichem Hintergrund. Er baute während einigen Jahren die Marktstellung eines französischen Unternehmens in der Schweiz auf und trug mit zu dessen kommerziellem Erfolg bei. Und dann – schöne neue Arbeitswelt – schuftete er sich in ein Burnout, und da war erst einmal eine Auszeit mit Selbstfürsorge angesagt.
2011 zog Oliver mit seiner Familie nach Basel und leistete während drei Jahren unbezahlte Arbeit zu Hause. «Da habe ich gemerkt, die Carearbeit wird geringgeschätzt.» Den Impuls, für die Kirche zu arbeiten, hatte er nach einem schweren Velounfall und nach weiteren Schicksalsschlägen: Die Ehe zerbrach, und Oliver rutschte in die Armut ab: «Ich befand mich im Nichts.» Während mehrerer Jahre lebte er unter dem Existenzminimum und noch heute meint er: «Für mich ist die Armut nie weit weg.»
Endlich angekommen
Oliver sagt rückblickend über seinen steinigen Weg: «Der Lebensweg muss ungerade sein, sonst haben wir nichts gelernt. Wir wachsen an Krisen.» Er brennt für den Job als Reli-Lehrer, auch wenn er während seiner Ausbildung in Religionspädagogik den Bezug zur realen Unterrichtswelt oftmals vermisst habe.
Seit sechs Jahren unterrichtet er «Religion» und «Ethik» an der Primarschule Wasgenring. Ohne Andrea Albiez wäre das nicht möglich gewesen», windet er der Rektorin des Rektorats für Religionsunterricht der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt ein Kränzchen.
Das Eis im Kollegium gebrochen
Zu Beginn sei er im Lehrerkollegium teilweise auf Vorbehalte gestossen, erzählt er: «Wir haben ein grosses Imageproblem bei der Lehrerschaft.» Inzwischen sei das aber kein Thema mehr, und das ganze Wasgenring-Team sei gut zusammen unterwegs.
Dass er bei den Schulkindern ein Star ist, zeigt sich im Pausenhof, ein grünes Areal mit viel Raum für das freie Spiel: Für den Reli-Lehrer gibt es keine Verschnaufpause, ständig ist er mit den Kids im Gespräch – und bringt ihre Augen zum Leuchten.
«Dringliche Warum-Fragen»
«Kinder haben viele Fragen», weiss Oliver, der 320 Schülerinnen und Schüler pro Woche unterrichtet. Unsere Gesellschaft habe es verlernt, sie ernst- und wahrzunehmen und auf ihre Fragen einzugehen. «Wer zu wenig Wertschätzung erfährt und kein Gehör findet, verstummt.» Er sehe deshalb eine seiner Aufgabe als Reli-Lehrer auch darin, dazu beizutragen, dass die Schulkinder ihre Sprachkompetenz aufbauen und weiterentwickeln.
«Kinder stellen teilweise sehr philosophische Fragen, und Fragen ist ausdrücklich erlaubt», weiss Oliver. «Ich schaffe einen Ort, an dem sie ihre dringlichen Warum-Fragen stellen können und sich mit anderen Meinungen und Ansichten auseinandersetzen.» Manchmal gehe es auch darum, Negativklischees zu hinterfragen, zum Beispiel zum Gaza-Krieg: «Schwarz-Weiss-Malerei führt in eine Sackgasse und ist bequem, da man sich nicht mit einer Sache auseinandersetzt. Die Welt und das Leben sind doch viel vielfältiger und komplexer.»
Kindern auf Augenhöhe begegnen
In seinem Unterricht arbeitet Oliver am liebsten mit Geschichten, wobei er zum Beispiel die Geschichte Noahs mit Überschwemmungen im Rhein oder der schlechten Kirschenernte im Baselbiet verbindet: «Wir müssen die Geschichten der Bibel mit dem Hier und Jetzt in der Welt der Kinder verbinden.»
Was braucht es daneben für den Beruf des Religionspädagogen oder der Religionspädagogin? Olivers Antwort kommt prompt: Freude am Umgang mit Kindern in diesem Alter und ein genuines Interesse für ihre Lebenswelt; eine kommunikative Ader, viel Humor und auch eine gute Portion Ausdauer; offen sein für andere kulturelle und religiöse Perspektiven und schliesslich die Bereitschaft, selbst von den Kindern zu lernen.
«Du bist keine Doktrin, sondern ein personales Angebot für die Fragen der Schulkinder. Du bist der Zauberkünstler und der Geschichtenerzähler zu den grossen Sinnfragen.» Als Reli-Lehrer sei er «am Puls der Gesellschaft», sagt Oliver Füglister. «Das ist meine Berufung und meine Aufgabe von und vor Gott.»
Text und Foto: Anna Wegelin, Kommunikation RKK
Weblogs Oliver Füglister: herzbeschneidungen.wordpress.com, fughestin.wordpress.com
Religionsunterricht an der Schule
Oliver Füglister ist einer von 24 Religionslehrpersonen der Römisch-Katholischen Kirche, die im neuen Schuljahr 2024/25 ab dem 12. August im freiwilligen, ökumenischen Religionsunterricht auf Primarstufe (1.–6. Klasse) im Kanton Basel-Stadt unterrichten. Fünf von ihnen haben sich dazu neu in Religionspädagogik aus- oder weitergebildet. Pro Woche werden 282 Lektionen freiwilliger ökumenischer Religionsunterricht auf Primarstufe erteilt. Davon profitieren rund 6’600 Schülerinnen und Schüler.
Kindern der Primarschule im Kanton Basel-Stadt steht es offen, den ökumenischen Religionsunterricht zu besuchen. Die Fächer «Religion» und «Ethik» bieten Raum für Fragen nach dem Sinn des Lebens und nach Gott. Der Religionsunterricht ist freiwillig und offen für alle Schülerinnen und Schüler an der öffentlich-rechtlichen Schule im Kanton Basel-Stadt, unabhängig von der Weltanschauung der Kinder und ihrer Eltern.
Das RPZ
Das Religionspädagogische Zentrum beider Basel (RPZ) ist das Kompetenzzentrum für Aus- und Weiterbildungen in Religionspädagogik und Herausgeberin des «Ökumenischen Lehrplans für den Religionsunterricht an der Primarschule Basel-Stadt». Im RPZ befindet sich auch das Rektorat für Religionsunterricht (RU) der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt sowie die «Ökumenische Medienverleihstelle», die Fachbibliothek für Religionspädagogik.