(Fortsetzung)
- Denn die teilnehmenden Männer und Frauen gehören verschiedenen Orden und Gemeinschaften an, vielleicht nicht die ersten Adressat:innen für das Thema Verliebtsein oder Sexualität. Es ist Zeichen eines Wandels, der langsam und stetig im Rahmen der Römisch-Katholischen Kirche vor sich geht. Ein Wandel, der sich an vielen Punkte zeigt und spätestens seit den Ergebnissen der Vorstudie zum Thema Missbrauch im September 2023 ohne Alternative ist.
Martin Föhn, Jesuit, verantwortlich für Bildung und Spiritualität im Pastoralraum Basel-Stadt und Mitorganisator des Impulstags für jüngere Ordensleute 2025, den es seit rund 5 Jahren an wechselnden Orten gibt, ist überzeugt, dass «wir als Kirche eigentlich viel zum Thema Liebe in allen Facetten zu sagen hätten.» Eben diese Haltung zieht sich auch durch die Treffen der «Gruppe gelingende Beziehung», die kurz nach der Veröffentlichung der Vorstudie im Pastoralraum entstand.
Die Gruppe, die aus Vertreter:innen von Pfarrei, Missiones und Spezialseelsorge des Pastoralraums Basel-Stadt besteht, versucht dabei einen Balanceakt: Einerseits ist die Aufarbeitung wichtig; die erste Haltung der kirchlichen Mitarbeitenden sollte Zuhören sein, gerade wenn Überlebende und Betroffene von Missbrauch erzählen. Ein Satz wie «Es muss doch jetzt mal gut sein» ist ein No-Go im Zusammenhang mit dem Thema. Ein Ergebnis der Arbeit der Gruppe ist die Installation eines Briefkastens in der Offenen Kirche Elisabethen, in den direkt oder indirekt von Missbrauch Betroffene anonym ihr Gedanken und Worte einwerfen können. Regelmässig wird der Kasten von einer Seelsorgeperson der Gruppe geleert.
Andererseits soll die theologische und spirituelle sowie menschliche Kompetenz der Seelsorger:innen und Theolog:innen beim Thema Beziehungsgestaltung nicht unter den Tisch fallen: «In einem kleinräumigen Gebilde wie dem Pastoralraum Basel-Stadt ist das möglich, auch wenn die Kirche insgesamt immer noch rigide in ihrer Haltung zu Themen wie Beziehung und Sexualität ist und daher kaum als Gesprächspartner wahrgenommen wird», sagt Martin Föhn. Der Wandel geschieht und er braucht Zeit. Vieles hat mit persönlicher Entwicklung zu tun, mit Lernen an sich selbst und mit dem Erlernen von Sprachfähigkeit. Das kann sehr schwerfallen. «Die Besprechbarkeit ist manchmal eine Herausforderung. Aus kulturellen Gründen und auch, weil das Thema mit Scham behaftet ist. Immer noch», erläutert Martin Föhn. Die Ordensleute am Impulstag in Luzern haben deshalb Themen auch teilweise in geschlechtergetrennten Kleingruppen bearbeitet.
In Luzern öffnet der Impulstag für Einzelne die Möglichkeit, sich neu und anders zu verstehen, zu lernen und sich durch das Gelernte mit der Zeit zu verändern. Ähnlich ist die Dynamik auch in den Diskussionen der Mitglieder der Gruppe gelingende Beziehung. Ebenso in den Weiterbildungen des Mitarbeitendengremiums und für Freiwillige in den Pfarreien. Da geht es um die Basis. Das ist Wandel von unten – der langen Atem braucht. Und Zuversicht.
«Von oben» geschieht die Veränderung beispielsweise durch die Etablierung einer unabhängigen Opferberatung. Seit Anfang Januar 2025 ist sie schweizweit in Kraft und Teil der Massnahmen, die die Schweizer Bischofskonferenz (SBK), die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (SKZ) und die Konferenz der Vereinigungen der Orden und weiterer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens erarbeitet haben. Auch dazu gehört ein schweizweit einheitliches Verfahren zu Auswahl und Eignungsprüfung von angehenden Priesteramtskandidaten, Seelsorger:innen, welches ab Mitte 2025 flächendeckend zum Einsatz kommen soll, Standards für Personaldossiers und Informationsaustausch, der Umgang mit Missbrauchsakten, die Schaffung eines kirchlichen Straf- und Disziplinargerichts und die Weiterführung der Forschung.
An seiner Sitzung am 11. Februar 2025 nahm der Kirchenrat der RKK BS erfreut zur Kenntnis, dass die Thematik mittlerweile zweckdienlich behandelt wird und die Umsetzungen der Massnahmen unaufgeregt kommuniziert werden. Klar ist, am Thema Missbrauch kristallisiert sich die Notwendigkeit zur Veränderung, auch weil als Folge der Veröffentlichung der Studie im September 2023 die Zahl der Kirchenaustritte in die Höhe schnellte.
Bischof Felix Gmür formuliert im Papier «PEP to go – Arbeitsinstrument für den Kulturwandel» ungewohnt deutlich: «Die Krise hört nicht auf. Es wird nie mehr werden wie früher, das Glas wird nicht wieder voll sein.» Es gehe darum, diese Tatsache anzuerkennen und dann das Abenteuer zu wagen, umzukehren und neu anzufangen. Im Grossen wie im Kleinen; montags an einem Impulstag in Luzern, sonntags im Visionsprozess in Basel oder freitags und ganz persönlich.
Die Workshops im Rahmen des Endspurts der ersten Phase des Visionsprozess der RKK BS öffnen den Raum, die Veränderung mitzutragen. «Ist alles gut so, wie es ist?» - «Möchte ich mitgestalten?» Der Entscheid liegt bei jeder und jedem im Pastoralraum ganz persönlich, beide Haltungen dürfen sein. Veränderungen lösen in der Regel unterschiedlichste Gefühle aus, oft auch unangenehme. Doch Beispiele wie der Impulstag für die jüngeren Ordensleute zeigen, dass mit Zeit, geschütztem Raum und guter Begleitung auch Schwieriges angesprochen werden kann. Wie die Kirche der Zukunft in Basel-Stadt aussieht, ist offen. Rote Fäden im Prozess sind das Visionsgebet und die vertrauensvolle Bitte um Begleitung durch Gott.
Anne Burgmer, Kommunikation RKK BS